Eine Frau sitzt entspannt am Wochenmarkt und isst einen Apfel, mit frischen Gemüse und Kräutern ringsum.
Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der landläufigen Meinung ist intuitives Essen keine neue, disziplinierte Diät, sondern ein befreiender Prozess des Entlernens. Es ist ein radikaler Akt der Selbstfürsorge, der es Ihnen ermöglicht, sich aus der Leistungsfalle der Diätkultur zu befreien, die inneren Regeln loszulassen und Ihren Körper endlich wieder als Verbündeten statt als zu optimierendes Projekt zu betrachten.

Jahrelang haben Sie Regeln befolgt. Kalorien gezählt, Punkte getrackt, „gute“ von „schlechten“ Lebensmitteln getrennt. Jede Mahlzeit war eine Prüfung, jeder Blick in den Spiegel ein Urteil. Und trotz all der Anstrengung, der Disziplin und des Verzichts fühlen Sie sich von Ihrem eigenen Körper entfremdeter denn je. Diese endlose Spirale aus Hoffnung, Kontrolle, Frustration und Selbstvorwürfen ist der Kern der Diätkultur – ein lautes, forderndes Rauschen, das die leise, weise Stimme Ihres Körpers übertönt.

Die üblichen Ratschläge erschöpfen sich oft in weiteren Anleitungen: Essenspläne, „Clean Eating“-Konzepte oder sogar Wellness-Routinen, die sich schnell wie eine weitere To-do-Liste anfühlen. Doch was wäre, wenn der Weg zu einem friedlichen Essverhalten nicht im Hinzufügen neuer Regeln, sondern im mutigen Loslassen alter besteht? Was, wenn die wahre Lösung darin liegt, den äußeren Lärm bewusst auszublenden, um der inneren Weisheit wieder Raum zu geben?

Dieser Artikel ist keine weitere Anleitung, die Sie befolgen müssen. Er ist eine Einladung, einen anderen Weg zu gehen. Einen Weg, der Sie aus der Falle der ständigen Selbstoptimierung herausführt und zurück zu Ihrem angeborenen Körpergefühl. Wir werden nicht nur die psychologischen Mechanismen aufdecken, die Diäten so oft zum Scheitern verurteilen, sondern Ihnen vor allem mitfühlende und praktische Werkzeuge an die Hand geben. Es geht darum, wieder zu lernen, die Signale Ihres Körpers – Hunger, Sättigung, aber auch emotionale Bedürfnisse – zu erkennen, zu ehren und ihnen zu vertrauen.

Für diejenigen, die ein Thema lieber visuell und im Dialog erfassen, bietet das folgende Video eine ausgezeichnete Diskussion von Experten darüber, was intuitives Essen wirklich bedeutet und welche Hürden auf dem Weg liegen können. Es ergänzt die hier vorgestellten Konzepte um eine weitere Perspektive.

Um diesen Prozess des Entlernens und Wiederfindens zu strukturieren, führt Sie dieser Artikel durch die zentralen Aspekte des intuitiven Essens. Vom Erkennen Ihrer wahren Bedürfnisse bis zum souveränen Umgang mit Kommentaren aus Ihrem Umfeld – jeder Abschnitt ist ein Schritt zurück zu Ihnen selbst.

Körperlicher oder emotionaler hunger? Ein achtsamkeits-check, der ihnen hilft, ihre wahren bedürfnisse zu erkennen

Die erste und vielleicht wichtigste Unterscheidung auf dem Weg zum intuitiven Essen ist die zwischen körperlichem und emotionalem Hunger. Körperlicher Hunger ist ein biologisches Signal. Er baut sich langsam auf, äußert sich durch ein Grummeln im Magen, leichte Konzentrationsschwäche oder ein Gefühl der Leere und ist offen für verschiedene Arten von Nahrung. Emotionaler Hunger hingegen ist eine Reaktion auf Gefühle. Er kommt oft plötzlich, verlangt nach einem ganz bestimmten Lebensmittel (oft etwas Süßes oder Fettiges) und lässt sich auch bei vollem Magen nicht stillen.

Geteilter Bildschirm: Links eine Person mit Bauchschmerzen, die physischen Hunger andeuten, rechts eine Person, die nachdenklich über Gefühle grübelt, was emotionalen Hunger symbolisiert.

Der entscheidende Punkt ist jedoch, diesen Unterschied nicht als Prüfung zu sehen, die man bestehen oder bei der man versagen kann. Es geht nicht darum, emotionales Essen zu verurteilen. Es ist eine überlebenswichtige Strategie, die uns oft geholfen hat, mit schwierigen Gefühlen umzugehen. Der Weg der Heilung beginnt damit, neugierig und ohne Urteil zu fragen: „Was brauche ich gerade wirklich?“ Manchmal ist die Antwort ein Stück Schokolade. Oft ist es aber auch eine Umarmung, eine Pause, ein Gespräch oder einfach ein Moment der Ruhe. Emotionales Essen verliert seine Macht, wenn wir lernen, die darunterliegenden Bedürfnisse zu erkennen und ihnen mit Mitgefühl zu begegnen. Wie es die Forschung treffend formuliert:

Emotionaler Hunger hat viel mit mangelnder Liebe zu tun. Dann wird gegessen, um zu trösten, um von Einsamkeit, Enttäuschungen, Unzufriedenheit und Langeweile abzulenken, um kummervolle Erfahrungen und Emotionen zu übertünchen.

– Fastenwelt-Forschung, Liebe, Selbstliebe und emotionaler Hunger

Dieser Achtsamkeits-Check ist kein weiteres Werkzeug zur Kontrolle, sondern ein Akt der Selbstliebe. Er gibt Ihnen die Erlaubnis, Ihre wahren Bedürfnisse zu erforschen und sich das zu geben, was Sie wirklich nährt – sei es Nahrung für den Körper oder Trost für die Seele. Dieser erste Schritt ist fundamental, um den Kreislauf zu durchbrechen und eine mitfühlende Verbindung zu sich selbst aufzubauen.

Die hunger-skala von 1 bis 10: Zurück zur selbstständigkeit: Warum die wiederherstellung alltäglicher fähigkeiten das wahre ziel der rekonstruktiven medizin ist

Jahrelange Diäten haben uns eine zentrale Fähigkeit geraubt: die Fähigkeit, Hunger und Sättigung selbstständig einzuschätzen. Stattdessen haben wir gelernt, uns auf externe Regeln zu verlassen. Wir essen, weil es 12 Uhr ist, nicht weil wir hungrig sind. Wir hören auf, weil der Teller leer ist, nicht weil wir satt sind. Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) geben gut gemeinte Ratschläge, die diesen externen Fokus verstärken können. Empfehlungen, wie die, nicht mehr als maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche zu essen, werden schnell zu starren Gesetzen, die Schuldgefühle auslösen, wenn man sie bricht.

Hier kommt die Hunger- und Sättigungsskala ins Spiel. Stellen Sie sich eine Skala von 1 (völlig ausgehungert, schwach) bis 10 (unangenehm voll, übel) vor. Das Ziel ist nicht, nur bei einer exakten „3“ mit dem Essen zu beginnen und bei einer „7“ aufzuhören. Die Skala ist vielmehr ein Werkzeug zur Selbstbeobachtung, ein Weg, um die Sprache Ihres Körpers wieder zu erlernen. Es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie sich die verschiedenen Stufen von Hunger und Sättigung anfühlen. Dieser Prozess ist der Kern der „Selbstständigkeit“, von der der Titel spricht: Sie holen sich die Hoheit über Ihre Ernährungsentscheidungen zurück.

Anstatt starr vorzugeben, dass eine Portion Gemüse „einer Hand voll“ entspricht, lernen Sie zu spüren, welche Menge *Ihr* Körper gerade braucht. Dies ist ein Entlern-Prozess. Sie entlernen die Abhängigkeit von Portionsgrößen auf Verpackungen und starren Gramm-Angaben und lernen stattdessen, auf die subtilen Signale Ihres Körpers zu vertrauen. Die Wiederherstellung dieser alltäglichen Fähigkeit ist weitaus nachhaltiger als das Befolgen jeder externen Regel, denn sie macht Sie zum Experten für Ihren eigenen Körper. Ihr Körper wird zu Ihrem Verbündeten, nicht zu einem Objekt, das nach fremden Vorgaben betrieben wird.

Die macht der erlaubnis: Warum sie die kontrolle über schokolade erst zurückgewinnen, wenn sie sie sich bedingungslos erlauben

„Ich darf das nicht essen.“ Dieser Satz ist der Zündstoff für Heißhunger. Sobald ein Lebensmittel mental als „verboten“ eingestuft wird, wird es psychologisch aufgeladen. Es wird zum Objekt der Begierde, zum Symbol für alles, was man sich versagt. Der verzweifelte Versuch, die Kontrolle zu behalten, führt unweigerlich zum Kontrollverlust. Nach einer Phase des strengen Verzichts kommt der Moment, in dem der Damm bricht – und dann wird nicht nur ein Stück Schokolade gegessen, sondern die ganze Tafel. Darauf folgen Schuld, Scham und der Vorsatz, es „morgen besser zu machen“. Dieser Zyklus ist als „Last Supper“-Effekt bekannt: Man isst, als wäre es das letzte Mal, weil man schon die nächste Restriktionsphase plant.

Die einzige Möglichkeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist die bedingungslose innere Erlaubnis. Das bedeutet nicht, dass Sie von nun an nur noch Schokolade essen sollen. Es bedeutet, dass Sie sich die Erlaubnis geben, Schokolade zu essen, wann immer Sie wirklich Lust darauf haben, ohne Schuldgefühle und ohne Kompensation. Anfangs mag das beängstigend sein. Vielleicht essen Sie für eine Weile tatsächlich mehr Schokolade als sonst. Das ist die Phase der „Habituation“. Ihr Körper und Ihr Geist müssen erst lernen, dass die Schokolade nicht wegläuft, dass sie immer verfügbar ist. Sobald die Panik vor dem Verbot verschwindet, verliert das Lebensmittel seine übermäßige Anziehungskraft. Sie können dann eine bewusste Entscheidung treffen: Habe ich wirklich Lust darauf? Schmeckt es mir gerade? Wie viel brauche ich, um zufrieden zu sein?

Die Kontrolle kommt nicht durch Verbot, sondern durch Vertrauen. Indem Sie sich alles erlauben, nehmen Sie den „verbotenen Früchten“ ihre Macht. Sie werden einfach wieder zu Lebensmitteln – nicht mehr und nicht weniger. Das ist der Kern dessen, was es bedeutet, Frieden mit dem Essen zu schließen, eines der zentralen Prinzipien des intuitiven Essens.

Ihr Plan zur Wiedererlangung der inneren Erlaubnis

  1. Lebensmittel-Hierarchie erstellen: Listen Sie alle Lebensmittel auf, die Sie sich verbieten oder vor denen Sie Angst haben. Ordnen Sie sie von „leicht beängstigend“ bis „extrem beängstigend“.
  2. Mit dem Einfachsten beginnen: Wählen Sie ein Lebensmittel vom unteren Ende Ihrer Liste. Kaufen Sie es und geben Sie sich die offizielle Erlaubnis, es zu Hause zu haben und bei echtem Appetit zu essen.
  3. Achtsamkeits-Check beim Essen: Wenn Sie das Lebensmittel essen, tun Sie es langsam und ohne Ablenkung. Fragen Sie sich: Wie schmeckt es wirklich? Macht es mich zufrieden? Wie fühlt sich mein Körper an?
  4. Gefühle beobachten und anerkennen: Beobachten Sie alle aufkommenden Gefühle (Angst, Schuld, Freude) ohne Urteil. Erinnern Sie sich daran: Es ist nur Essen. Alle Gefühle sind erlaubt.
  5. Wiederholen und normalisieren: Wiederholen Sie den Prozess, bis das Lebensmittel seine emotionale Ladung verliert. Gehen Sie dann zum nächsten Lebensmittel auf Ihrer Liste über.

„Solltest du das wirklich essen?“ Wie sie souverän auf diät-kommentare aus ihrem umfeld reagieren und bei sich bleiben

Auf dem Weg zurück zum Körpergefühl werden Sie unweigerlich auf eine der größten Hürden stoßen: die Kommentare anderer Menschen. Die Diätkultur ist so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass Bemerkungen über Essen, Gewicht und Körper als normal gelten. Eine Studie zeigt, dass sich in Deutschland über 53 % der Menschen von der Diätkultur beeinflusst fühlen, bei Frauen sind es sogar fast 56 %. Dieser allgegenwärtige „Diät-Lärm“ kommt oft in Form von gut gemeinten Ratschlägen, besorgten Fragen oder unterschwelligen Urteilen von Familie, Freunden oder Kollegen.

Sätze wie „Noch ein Stück Kuchen?“, „Ich an deiner Stelle würde das nicht essen“ oder „Hast du abgenommen? Sieht super aus!“ können selbst die gefestigtsten Absichten ins Wanken bringen. Sie katapultieren uns zurück in die alte Denkweise von Richtig und Falsch, von Leistung und Versagen. Sie zu ignorieren, ist oft leichter gesagt als getan. Der Schlüssel liegt darin, vorbereitet zu sein und zu verstehen: Diese Kommentare sagen mehr über die Person aus, die sie äußert, als über Sie. Sie sind ein Spiegelbild ihrer eigenen Unsicherheiten, ihrer eigenen internalisierten Diät-Regeln und ihrer Konditionierung.

Ihre Aufgabe ist es nicht, andere zu bekehren, sondern Ihre eigene Reise zu schützen. Entwickeln Sie kurze, neutrale und klare Antworten, die eine Grenze ziehen, ohne einen Konflikt zu provozieren. Ein simples „Danke, aber ich höre auf meinen Körper“ oder „Mein Essverhalten ist für mich genau richtig so“ kann Wunder wirken. Manchmal ist auch ein Themenwechsel die beste Strategie. Wie die Unabhängige Stiftung für Gesundheit (UGB) betont, geht es darum, „raus aus einer kopfgesteuerten Ernährung hin zum Essen mit Körper, Herz und Verstand“. Dieser innere Kompass ist Ihre wichtigste Verteidigungslinie. Jeder souverän abgewehrte Kommentar stärkt Ihr Selbstvertrauen und festigt Ihren neuen, friedlichen Weg.

Gesundheit ohne zwang: Wie sie nährstoffreiche lebensmittel aus freude wählen, nicht aus angst vor den „falschen“

Eine der größten Ängste beim Loslassen von Diätregeln ist die Sorge, die Kontrolle über die eigene Gesundheit zu verlieren. „Wenn ich mir alles erlaube, esse ich dann nicht nur noch Pizza und Eis?“ Diese Angst ist verständlich, denn die Diätkultur hat uns gelehrt, dass Gesundheit nur durch strikte Kontrolle und den Verzicht auf „ungesunde“ Lebensmittel erreichbar ist. Doch das Gegenteil ist der Fall. Intuitives Essen ist kein Freifahrtschein für eine einseitige Ernährung, sondern der Weg zu einer authentischen, freudvollen und nachhaltigen Form der Gesundheit.

Eine lächelnde Frau kauft auf einem deutschen Wochenmarkt ein und hält frisches Gemüse und Kräuter in den Händen.

Wenn der Körper nicht mehr im ständigen Mangel- und Verbotsmodus ist, beginnen sich seine Bedürfnisse zu normalisieren. Wenn Sie wirklich auf Ihren Körper-Verbündeten hören, werden Sie feststellen, dass er nicht nur nach Zucker und Fett verlangt. Er sehnt sich auch nach Frische, nach Vitaminen, nach Ballaststoffen – nach Lebensmitteln, die ihm Energie und Wohlbefinden schenken. Der Unterschied liegt in der Motivation: Sie wählen den Salat nicht, weil Sie „sollten“ oder weil er „gut“ ist, sondern weil Sie spüren, dass Ihr Körper genau diese Frische und Leichtigkeit gerade braucht. Sie genießen einen Apfel nicht, weil er wenig Kalorien hat, sondern wegen seiner knackigen Süße.

Gesundheit wird von einer lästigen Pflicht zu einem Akt der Selbstfürsorge. Anstatt Mahlzeiten aus Angst vor den „falschen“ Zutaten zusammenzustellen, entdecken Sie die Freude am Kochen mit frischen, saisonalen Produkten vom Wochenmarkt. Es geht darum, Ihrem Körper Nährstoffe mit Wohlwollen und nicht mit Zwang zuzuführen. Eine Studie der Unabhängigen Stiftung für Gesundheit (UGB) bestätigt diesen Ansatz und zeigt, dass rund 85 Prozent der Menschen unzufrieden mit ihren zwanghaften Ernährungsgewohnheiten sind und sich danach sehnen, wieder auf ihre Körpersignale zu vertrauen.

Die wellness-falle: Wenn selbstfürsorge zu einer weiteren quelle von stress wird

In einer Gesellschaft, die auf Leistung und Optimierung getrimmt ist, entkommt selbst die Selbstfürsorge diesem Diktat nicht. Die sogenannte „Wellness-Kultur“ verspricht Entspannung, verkauft aber oft nur eine neue To-do-Liste: Yoga am Morgen, zehn Minuten Meditation, grüner Smoothie, Dankbarkeitstagebuch und 10.000 Schritte am Tag. Was als Erholung gedacht war, wird zur Leistungsfalle. Man fühlt sich schlecht, wenn man eine „Aufgabe“ auf der Selbstfürsorge-Checkliste nicht erledigt hat. Dieser Druck zur perfekten Selbstoptimierung ist der Grund, warum so viele Menschen trotz aller Bemühungen gestresst und erschöpft sind.

Dieses Phänomen ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Die Kultur der Effizienz und des Perfektionismus führt dazu, dass Entspannung „gemanagt“ werden muss. Selbst die gesetzlichen Krankenkassen verstärken diesen Trend unbewusst mit ihren Bonusprogrammen, die gesundheitsbewusstes Verhalten belohnen. Das Sammeln von Punkten für den Yogakurs oder die Vorsorgeuntersuchung kann den inneren Druck erhöhen, anstatt das Wohlbefinden zu fördern. Es verwandelt Gesundheit in eine messbare Leistung.

Wahre Selbstfürsorge ist jedoch das genaue Gegenteil von Leistung. Es ist die radikale Erlaubnis, auch mal unproduktiv zu sein. Es ist, auf der Couch zu liegen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Es ist, den Spaziergang ausfallen zu lassen, weil der Körper nach Ruhe verlangt. Es ist, eine Pizza zu bestellen, weil man keine Energie zum Kochen hat. Intuitiv zu leben bedeutet auch, die eigenen Bedürfnisse nach Ruhe und Nichstun zu ehren, ohne sie rechtfertigen zu müssen. Es geht darum, die Selbstfürsorge aus der Leistungsfalle zu befreien und sie wieder zu dem zu machen, was sie sein sollte: ein liebevoller, zwangloser und zutiefst persönlicher Dialog mit sich selbst.

Warum ihr gehirn von natur aus auf das negative fixiert ist: Der „negativity bias“ und wie sie ihn mit dankbarkeit austricksen

Haben Sie sich jemals gefragt, warum ein einziger negativer Kommentar über Ihr Aussehen Dutzende von Komplimenten auslöschen kann? Oder warum Sie sich tagelang über ein Stück Kuchen ärgern, das Sie „nicht hätten essen sollen“, während Sie die vielen nährstoffreichen Mahlzeiten der Woche komplett vergessen? Die Antwort liegt in unserem Gehirn: dem Negativity Bias oder der Negativitätsverzerrung. Dieses psychologische Phänomen, ein Überbleibsel unserer evolutionären Vergangenheit, bewirkt, dass wir negativen Reizen, Gedanken und Ereignissen von Natur aus mehr Aufmerksamkeit und Gewicht beimessen als positiven.

Die Diätkultur befeuert diesen Negativity Bias auf toxische Weise. Sie trainiert unser Gehirn darauf, ständig nach Fehlern zu suchen: die „falsche“ Lebensmittelwahl, die Zahl auf der Waage, die nicht schnell genug sinkt, oder die Jeans, die noch zwickt. Wir entwickeln einen hyperkritischen inneren Dialog, der jede noch so kleine „Abweichung“ als katastrophales Versagen wertet. Dieser Fokus auf das Negative hält uns im Teufelskreis aus Scham und Restriktion gefangen und macht es fast unmöglich, eine positive Beziehung zum eigenen Körper aufzubauen.

Ein wirksames Gegenmittel gegen diesen mentalen Kurzschluss ist die Praxis der Dankbarkeit. Dankbarkeit ist mehr als nur höfliches „Danke“ sagen; es ist ein aktives Training für das Gehirn, den Fokus bewusst auf das Positive zu lenken. Indem Sie sich täglich Zeit nehmen, um Dinge zu notieren, für die Sie dankbar sind – besonders in Bezug auf Ihren Körper –, beginnen Sie, den Negativity Bias aktiv zu unterlaufen. Statt sich auf die Cellulite an Ihren Oberschenkeln zu konzentrieren, können Sie dankbar sein, dass Ihre Beine Sie durch den Tag tragen. Statt sich über den Bauch zu ärgern, können Sie dankbar für eine funktionierende Verdauung sein. Die Forschung bestätigt, dass das regelmäßige Führen eines Dankbarkeitstagebuchs zu erhöhtem Glück und geringerer Depression führen kann. Diese einfache Übung ist ein kraftvoller Schritt, um den Fokus von der Kritik zur Wertschätzung zu verschieben und Ihren Körper endlich als Verbündeten zu sehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Intuitives Essen ist ein Entlern-Prozess, kein neues Regelwerk. Es befreit Sie aus der Leistungsfalle der Diätkultur.
  • Der Schlüssel liegt in der bedingungslosen inneren Erlaubnis, alle Lebensmittel zu essen. Nur so verlieren „verbotene“ Speisen ihre Macht über Sie.
  • Wahre Gesundheit entsteht aus Freude und Selbstfürsorge, nicht aus Zwang und Angst. Ihr Körper wird zum Verbündeten, der Ihnen zeigt, was er braucht.

Der stoffwechsel-schalter: Wie sie ihrem körper beibringen, fett als treibstoff zu nutzen und so ihre energie revolutionieren

Die Welt der Diäten ist voll von Versprechungen, den Stoffwechsel zu „hacken“ oder einen magischen „Schalter“ umzulegen, um zur ultimativen Fettverbrennungsmaschine zu werden. Konzepte wie die ketogene Diät oder strenge Low-Carb-Ansätze basieren auf der Idee, den Körper durch extreme Kohlenhydratrestriktion zu zwingen, Fett als primäre Energiequelle zu nutzen. Während solche Methoden kurzfristig zu Gewichtsverlust führen können, verstärken sie oft genau die Mentalität, die wir überwinden wollen: die Sicht auf den Körper als eine Maschine, die durch externe Regeln manipuliert werden muss.

Die Wahrheit ist: Ihr Körper besitzt diesen „Stoffwechsel-Schalter“ von Natur aus. Man nennt es metabolische Flexibilität – die angeborene Fähigkeit des Körpers, je nach Verfügbarkeit und Bedarf effizient zwischen Kohlenhydraten und Fetten als Energiequelle zu wechseln. Diäten, insbesondere solche mit ständigen Zyklen aus Fasten und Essen oder strengen Makronährstoffvorgaben, können diese natürliche Flexibilität stören. Der Körper gerät in einen permanenten Stress- und Überlebensmodus.

Der Weg des intuitiven Essens stellt diese natürliche metabolische Flexibilität wieder her, aber auf eine sanfte und nachhaltige Weise. Indem Sie aufhören, Mahlzeiten zu überspringen, und Ihrem Körper regelmäßig und gemäß seinen Hunger- und Sättigungssignalen eine ausgewogene Mischung aus Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen zuführen, signalisieren Sie ihm Sicherheit. Er muss keine Energie mehr für Notzeiten hamstern. Er lernt wieder zu vertrauen, dass er zuverlässig versorgt wird. Anstatt Ihren Stoffwechsel durch Zwang zu manipulieren, schaffen Sie die Bedingungen, unter denen er optimal und entspannt funktionieren kann. Sie revolutionieren Ihre Energie nicht, indem Sie einen Schalter umlegen, sondern indem Sie dem System erlauben, zu seiner ursprünglichen, intelligenten Werkseinstellung zurückzukehren.

Der erste Schritt auf diesem Weg muss nicht überwältigend sein. Beginnen Sie noch heute damit, eine kleine, mitfühlende Veränderung vorzunehmen: Schenken Sie der nächsten Mahlzeit Ihre volle Aufmerksamkeit, ohne Ablenkung, und lauschen Sie neugierig den Signalen, die Ihr Körper Ihnen sendet.

Häufige Fragen zum Thema intuitives Essen

Kann ich mit intuitivem Essen abnehmen?

Intuitives Essen ist keine Diät zur Gewichtsabnahme. Sein Hauptziel ist es, die Beziehung zum Essen und zum eigenen Körper zu heilen. Für manche Menschen kann dies zu einer Gewichtsabnahme führen, für andere zu einer Gewichtszunahme oder zu einem stabilen Gewicht. Das Loslassen des Wunsches, Gewicht zu verlieren, ist oft ein entscheidender Schritt im Prozess.

Wie lange dauert es, bis ich intuitiv essen kann?

Der Prozess ist sehr individuell und hat keinen festen Zeitplan. Für Menschen mit einer langen Diätgeschichte kann es Monate oder sogar Jahre dauern, die alten Muster vollständig zu entlernen und dem eigenen Körper wieder voll zu vertrauen. Es ist eine Reise, kein Rennen, und jeder Schritt zählt.

Ist intuitives Essen für jeden geeignet?

Intuitives Essen ist ein hilfreicher Ansatz für die meisten Menschen, die mit der Diätkultur kämpfen. Bei Personen mit einer aktiven Essstörung (wie Anorexie, Bulimie oder Binge-Eating-Disorder) sollte der Prozess jedoch unbedingt von einem spezialisierten Therapeuten oder Arzt begleitet werden, da die Körpersignale gestört sein können und eine strukturiertere Unterstützung notwendig ist.

Geschrieben von Anja Richter, Dr. Anja Richter ist eine Psychologin mit 18 Jahren therapeutischer Erfahrung, die sich auf wissenschaftlich fundierte Methoden des Stressmanagements und der positiven Psychologie spezialisiert hat. Sie ist außerdem zertifizierte Lehrerin für achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR).